Uhr

Nationalpark Südliche Heideterrasse?

Im Zuge des Beteiligungsverfahrens zu einem zweiten Nationalpark fallen auch immer mal wieder die Namen Königsforst und Wahner Heide bzw. Südliche Heideterrasse...Wir beleuchten eine mögliche Eignung des Schutzgebietskomplexes…

Blick vom Telegraphenberg der Wahner Heide nach Norden
Blick vom Telegraphenberg der Wahner Heide nach Norden
© H. Sticht
Die Landesregierung plant für diese Legislaturperiode einen zweiten Nationalpark für NRW. So ist es im nunmehr über ein Jahr alten Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün nachzulesen. In der kommenden Woche starten die Minister*innen Gorißen, Krischer und Neubaur nun auch tatsächlich das Beteiligungsverfahren, an dessen Ende die Landesregierung eine Auswahl treffen will. Mehrere Gebiete wie beispielsweise die Egge oder der Arnsberger Wald werden seit Jahren oder gar Jahrzehnten gehandelt. Neuerdings fallen auch immer mal wieder die Namen Königsforst und Wahner Heide. Anlass genug, Chancen und Hemmnisse einer solchen Schutzgebietskategorie näher zu beleuchten.

Was ein Nationalpark sein soll und unter welchen Bedingungen er ausgewiesen werden darf, regelt im Wesentlichen das Bundesnaturschutzgesetz.

In § 24 BNatschG Abs. 1 heißt es, dass Nationalparke rechtsverbindlich festgesetzte einheitlich zu schützende Gebiete sind, die

1. großräumig, weitgehend unzerschnitten und von besonderer Eigenart sind,

2. in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets erfüllen und

3. sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen solchen Zustand zu entwickeln oder entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet.

Ungefähre Abgrenzung einer potenziellen Nationalparkkulisse
Ungefähre Abgrenzung einer potenziellen Nationalparkkulisse
© LandNRW/Bündnis Heideterrasse
In Abs. 2 wird festgeschrieben, dass Nationalparke zum Ziel haben, „in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten“. Dieses Ziel ist das Besondere an der Schutzkategorie Nationalpark. In fast allen anderen Schutzgebietskategorien ist ein Naturschutzmanagement flächendeckend erlaubt oder vorzusehen, und auch Land- und Forstwirtschaft sind in Deutschland hier weitgehend unreguliert.

Großräumigkeit: Deutschland hält sich bewusst nicht an die Empfehlungen der Weltnaturschutzunion, nach welchen die Mindestgröße eines Nationalparks eigentlich 10 000 ha umfassen sollte. So gibt es tatsächlich bestehende Nationalparke, wie z.B. Kellerwald-Edersee mit knapp 7 700 ha, die diese Mindestgröße unterschreiten. Der Nationalpark Jasmund besitzt sogar nur eine Größe von 3 300 ha, was aber im Wesentlichen auf die Halbinsellage zurückzuführen ist.

Eine Untergrenze ist also nicht festgeschrieben. Zum Vergleich: Der Nationalpark Eifel hat eine Größe von 10 700 ha. Nicht nur deswegen wäre eine entscheidende Voraussetzung, dass die Kulisse nicht nur Königsforst und Wahner Heide, sondern auch die südlich angrenzenden Lohmarer Wald und Teichlandschaft umfasste und damit auch einen schönen Titel haben könnte: Südliche Heideterrasse. Diese bezeichnet eigentlich alle Gebiete des Naturraums Bergische Heideterrasse südlich der Dhünn, doch die Heideterrassengebiete zwischen Dhünn und A 4, Iddelsfelder Hardt, Schluchter Heide, Thielenbruch, Dellbrücker Heide, Dünnwalder Wald und Gladbacher Hauptterrasse, dürften wegen ihrer extremen Zersiedlung und Zerschnittenheit von vorne herein ausfallen.

Königsforst, Wahner Heide und Lohmarer Wald/Teichlandschaft würden, wenn nur Flächen in öffentlichem Eigentum (Bund, Bundeswehr, Land, DBU, die Städte Köln und Lohmar) eingerechnet werden, zusammen etwa 7 000 ha erreichen. Selbst wenn die Städte Troisdorf und Siegburg ihre Flächen einbringen und die angrenzenden Privateigentümer z.B. im Kurtenwald für eine Mitwirkung gewonnen werden könnten, würde die Kulisse nicht einmal jene des Nationalparks Kellerwald erreichen. Das ist nicht wirklich viel, aber formal kein entscheidendes Hindernis.

Unzerschnittenheit: Die südliche Heideterrasse wird durch die A 4 im Norden und gleich zweimal durch die A 3 zerschnitten. Selbst ohne Berücksichtigung der vielen anderen Verkehrswege und des Flughafens in der Wahner Heide ist klar: dieses Kriterium wird nicht erfüllt.

Die besondere Eigenart des Naturraums Bergische Heideterrasse allerdings ist aufgrund ihrer naturräumlichen Ausstattung und ihrer herausragenden Bedeutung für die biologische Vielfalt unstrittig. Und auch die vollständige Eignung als Naturschutzgebiet ist gegeben, mehr noch: Der stark überwiegende Flächenanteil ist bereits Naturschutzgebiet und zusätzlich FFH- und Vogelschutzgebiet.

Durch Dynamik aufgewertete Flächen im FFH-Gebiet Königsforst
Durch Dynamik aufgewertete Flächen im FFH-Gebiet Königsforst
© Holger Sticht
Das letzte Kriterium wiederum, der wenig beeinflusste Zustand, ist nicht erfüllbar: Lärm-, Licht- und stoffliche Belastungen, die nicht nur von den Autobahnen, Bundes- und Landstraßen, sondern v.a. von dem Nachtflughafen inmitten der Wahner Heide ausgehen, sind nicht nur extrem, sondern werden absehbar Bestand haben. Dies gilt wohl auch für die militärische Nutzung im Süden der Wahner Heide. Dieser Bundeswehr-Übungsplatz umfasst die einzig mögliche Kernzone eines Nationalparks.

Das vorgeschriebene Nationalparkziel aus § 24 Abs. 2 ist auf den ersten Blick erfüllbar. Zwar sind die streng geschützten Kulturlandschaftshabitate wie Heiden, Dünenvegetation, Teiche oder Feuchtwiesen auch nach Europarecht einem dauerhaften Naturschutzmanagement zu unterziehen und müssten eigentlich auch noch erweitert werden, erreichen aber derzeit und absehbar nicht die Hälfte der Gebietskulisse. Etwa 60 % des Gebietsanteils mit natürlicher Dynamik wären grundsätzlich machbar. Zumindest wenn die ausgerotteten Huftierarten wenigstens teilweise wiedereingeführt bzw. die noch vorkommenden Arten nicht mehr durch Jagd beeinträchtigt werden, und wenn endlich die v.a. in der Wahner Heide überfälligen Maßnahmen der Wiedervernässung umgesetzt werden. Damit würden zwar nicht die internationalen Kriterien von 75 % erreicht werden, aber diese gibt der Gesetzgeber in Deutschland nicht vor.

Allerdings sind die forstlichen Altlasten auf der Heideterrasse besonders massiv. Zwar könnten die Holzplantagen, mit welchen naturnaher Wald bis heute v.a. im Königsforst ausgebremst wird, langfristig, so wie im Nationalpark Eifel auch, nach und nach zurück gebaut werden, um wieder selbstständige Waldentwicklung zu ermöglichen. Aber der schon seit Jahrzehnten hohe Deckungsgrad und die Naturverjüngungsrate von invasiven Neophyten wie der Spätblühenden Traubenkirsche aus Nordamerika, die einst durch Förster eingeführt worden waren, macht die Entwicklung naturnaher Wälder auf hohen Flächenanteilen auch langfristig unwahrscheinlich. Schon jetzt mussten hunderten von Hektar in der Wahner Heide ihr Status als gesetzlich geschützter Lebensraumtyp aberkannt werden, weil die Spätblühende Traubenkirsche alle anderen Pflanzenarten verdrängt hat. Diese Wälder bedürften eigentlich eines dauerhaften Managements, um ihre Naturnähe und ihren Artenreichtum wiederzuerlangen.

Heidemoorrest des Naturschutzgebiet Gierssiefen der Lohmarer Teichlandschaft
Heidemoorrest des Naturschutzgebiet Gierssiefen der Lohmarer Teichlandschaft
© Holger Sticht
Ein nüchternes Fazit fällt also eher bescheiden aus: Die gesetzlichen Kriterien sind nur etwa zur Hälfte erfüllt. Die Eignung der Südlichen Heideterrasse als Nationalpark ist damit, wenn überhaupt, nur sehr bedingt gegeben, selbst wenn man es mit viel Lokalpatriotismus betrachten würde.

Im Vergleich beispielsweise mit der durch die Naturschutzverbände in NRW favorisierten Egge sieht die Heideterrasse alt aus. Hier geht es um etwa 12 000 ha, die bereits jetzt hohe Anteile naturnaher junger und alter Waldökosysteme, von Felshabitaten und Mooren aufweisen. Und diese befinden sich allein im Eigentum des Landes. D.h. die Landesregierung könnte, stellvertretend für die Einwohner des Bundeslands, welchen diese Flächen gehören, ohne großen Aufwand darüber verfügen. Vorbelastungen wie auf der Heideterrasse sind hier gänzlich unbekannt. Allerdings gibt es hier noch eine kleine, dafür sehr laute Minderheit aus CDU-Mandatsträgern, die sich gegen einen Nationalpark in Stellung gebracht hat. Dieser Widerstand fehlt bisher in anderen potenziellen Gebieten wie dem Arnsberger Wald oder dem Rothaargebirge.

Wenn man einmal die fachlichen und gesetzlichen Kriterien außer Acht ließe, könnte eine Nationalparkausweisung auf der südlichen Heideterrasse ein Gewinn sein. Denn die hier befindlichen Schutzgebiete befinden sich wegen fehlenden oder mangelhaften Managements in einem sich verschlechternden Erhaltungszustand. Da die Kompensationsverpflichtungen des Flughafens in der Wahner Heide 2030 auslaufen und die DBU Naturerbe GmbH als Eigentümer des überwiegenden Flächenanteils der Wahner Heide bisher eine Übernahme der Aufgaben ablehnt, drohen sogar noch größere Verschlechterungen. Eine einheitliche Verwaltung für alle Gebietsteile mit kompetentem Fachpersonal und einem ausreichenden Budget, das vom Land dauerhaft finanziert wird, könnte hier ein Ausweg sein. Die Betonung liegt dabei auf „könnte“. Denn am Ende des Tages hängt die Frage, ob eine Verbesserung für die biologische Vielfalt erzielt werden kann, an zukünftigen politischen Konstellationen und daran, dass tatsächlich eine fachkompetente Leitung eingesetzt werden kann. Und dies lässt sich derzeit nicht beantworten.  

Dünnwalder Wald
Bündnis Heideterrasse e.V.